Standortnachteil Deutschland ?

im Lichte der Niederlassungsfreiheit in Europa, der Schutzwirkung der Grundrechte und Brexit

Ein Kommentar von Rechtsanwältin Karolin Ahrens

Deutschland gilt insbesondere aufgrund seiner hohen Steuerbelastung für Unternehmen als kein bevorzugter Unternehmensstandort (mehr). Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes bestimmt, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist und alle Staatsgewalt vom Volke auzugehen hat. Diese – auch Schutzwirkung der Grundrechte – die insbesondere auch die unternehmerische Freiheit mit einschließt und (über den Tellerrand geschaut) auch im Lichte der europäischen Niederlassungsfreiheit zu bewerten ist, wird ad absurdum geführt, wenn die staatlicherseits einseitig auferlegten Steuerverpflichtungen zu einer Existenzbedrohung/Zerstörung von Unternehmen führt und Unternehmen zur Sicherung ihre Bestands ins Ausland abwandern.

Ungeachtet dessen existieren in Deutschland nach offiziellen Angaben circa 8000-10000 sogenannte limited (Pendant zur deutschen GmbH), die wesentlich steuerbegünstigter sind.

Aus anwaltlicher Sicht dürfte es anzuraten sein, diese zu erhalten bzw. entsprechend zu transformieren.

In einem zweiten Schritt wäre dann zu prüfen, inwieweit sich deutsche Unternehmen auf einen entsprechenden Gleichbehandlungsgrundsatz berufen können.

Die wesentlichen und wichtigen rechtlichen Aspekte hierzu in der gebotenen Kürze:

Nach dem “Brexit” ist eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf bestehende UG möglich sowie grenzüberschreitende Verschmelzung auf irische Limited, zwei Rechtsordnungen sind zu kombinieren, Herkunftsrecht betrifft hierbei den Schutz der Stakeholder in bisheriger Gesellschaft (z.B. Zustimmungserfordernis)

-englische Limiteds genießen in Deutschland nach dem Brexit einen unbefristeten steuerlichen Bestandsschutz: Aufgrund des Brexit-Steuerbegleitgesetzes bestehen sie in steuerlicher Sicht mit ihrem Altvermögen als Körperschaft weiter, solange sie im englischen Register eingetragen sind. Ein solcher Übergang des Geschäfts von der englischen Limited auf einen neuen Rechtsträger – z.B. den Gesellschafter – würde von der Finanzverwaltung als Betriebsübergang bzw. Unternehmensverkauf behandelt werden

– Auf englische Gesellschaften muss grds. englisches Gesellschaftsrecht angewendet werden, daher z.B. keine Kapitalaufbringung/erhaltung und keine gesellschaftliche Durchgriffshaftung (z.B. wegen materieller Unterkapitalisierung)

-Der wesentliche Unterschied findet sich auch in der Haftungssituation:

Das englische Recht sieht keine relevante Haftung vor, insbesondere keinen Durchgriff gegen Gesellschafter zu Gläubigerschutzzwecken und keine Subordination von Gesellschafterdarlehen. “wrongful trading” ist nach herrschender Meinung nicht in Deutschland anwendbar.

Last, but not least: Eine nach englischem Recht gegründete limited, dessen directoren ebenfalls nach englischem Recht bestellt wurden, erfolgt die Vertretung nach außen durch das “board of directors” als Kollektivorgan (auf Organebene das Gesellschaftsstatut)

Unterhalb der Organebene gilt das (in seinem Inhalt umstrittene) Vollmachtsstatut.

Die Zurechnung von Organfehlern nach lex societas. Bei der entsprechenden Transformation – beispielsweise UG – stellt sich die interessante rechtliche Fragestellung, ob der Aufsichtsrat auch entsprechend der “Arag/Garmenbeck”- Entscheidung für eine fehlerhafte Überwachung der Vorstandsmitglieder haftet. Ich tendiere zu nein. Sicher aber ein interessantes Promotionsvorhaben beispielsweise.

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